Der Nitratgehalt
Der aktuelle Grenzwert für Nitrat im Trinkwasser liegt laut der deutschen und österreichischen Trinkwasserverordnung und in den meisten europäischen Ländern bei 50 mg/l, nach der schweizerischen Gewässerschutzverordnung bei 40 mg/l.
Diese Grenzwerte müssen von den Wasserversorgern verpflichtend eingehalten werden.
Verteilung der Nitratwerte in Deutschland (Stand 6/2024)
Ausgehend von den auf der Karte farblich dargestellten unterschiedlichen Bereichen ergibt sich zum aktuellen Zeitpunkt folgende Verteilung der Nitratwerte für Deutschland:
Das bedeutet, dass aktuell für über 70% der Bevölkerung das Trinkwasser niedrige Nitratwerte aufweist und laut Bundesamt für Risikobewertung auch für die Zubereitung von Säuglingsnahrung geeignet ist. Für 30% allerdings nicht.
Wenn Sie wissen wollen, wie das bei Ihnen aussieht, prüfen Sie zunächst ob Ihre Stadt in unserer Datenbank enthalten ist. Geben Sie einfach Ihre Postleitzahl oder den Ortsnamen in das Suchfeld ein.
Wenn Ihre Stadt enthalten ist, sehen Sie auch wann die Daten zuletzt von uns aktualisiert wurden. Auf unserer Karte können Sie sich dann den Härtebereich oder den Nitratgehalt für jeden Ort anzeigen lassen.
Was sind Nitrate und wo kommen sie vor?
Bei Nitraten handelt es sich um wasserlösliche Salze der Salpetersäure. Viele Böden sind heute arm an Stickstoff und werden deshalb in der Landwirtschaft mit Gülle und stickstoffhaltigen Mineraldüngern gedüngt. Gülle zählt zu den organischen Stickstoffverbindungen. Diese werden durch Nitrifikation im Boden oder in Gewässern unter Mitwirkung von Bakterien aus Ammoniumionen (NH4+) über die Zwischenstufe Nitrit zu Nitrat umgewandelt. Mineraldünger bestehen meist aus Ammonium-, Kalzium-, Natrium- oder Kaliumnitrat. Das Nitrat wird über die Wurzeln der Pflanzen aufgenommen.
Wo wird gemessen?
Die Wasserversorgungsunternehmen überwachen die Trinkwasserqualität sehr genau. Hierbei ist besonders der Nitratgehalt in letzter Zeit in den Fokus gerückt. Die Messstellen, an denen ein signifikant erhöhter Nitratwert im Grundwasser festgestellt wurde, liegen (sehr bewusst) mehrere hundert Meter bis mehrere Kilometer von den eigentlichen Brunnen entfernt, aus denen das Trinkwasser gewonnen wird. Die Messungen dienen so als Vorwarnungen, um den verantwortlichen Stellen genügend Zeit zu geben, Gegenmaßnahmen einzuleiten.
Genauere Informationen zur Wassergewinnung und -aufbereitung finden Sie in unseren Apps im Bereich Wasserinfos.
Welche Risiken gibt es?
Nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen beziehen sich die gesundheitlichen Bedenken gegen eine überhöhte Nitrat-Aufnahme aus der Nahrung in erster Linie auf die mögliche Reaktionskette Nitrat-Nitrit-Nitrosamine.
Eine solche Umwandlung findet zum einen im Darm durch entsprechende Bakterien statt. Zum anderen können auch die Speicheldrüsen über den Blutweg angeschwemmtes Nitrat reduzieren. Die Darmflora eines Säuglings kann (wie die Darmflora eines Erwachsenen) Nitritbildende Bakterien enthalten.
Nitrosamine haben sich in Tierversuchen als Krebs auslösend (karzinogen) erwiesen.
Krebserkrankungen und Geburtsschäden
Amerikanische Studien an 16.000 Frauen in Iowa fanden Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Krebserkrankungen der Blase, der Eierstöcke, der Nieren und der Schilddrüse. Andere Studien in Texas und Iowa haben Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Geburtsschäden - Gaumenspalten und Spina bifida - bei Neugeborenen gefunden, deren Mütter Trinkwasser mit Nitratwerten von mehr als 5-6 mg/l während der Schwangerschaft getrunken haben.
Eine andere aktuelle Studie um Dr. Jörg Schullehner von der Universität Aarhus in Dänemark mit ca. 1,7 Millionen Teilnehmern über einen Zeitraum von über 30 Jahren (1978 - 2011), fand einen direkten Zusammenhang zwischen dem Risiko an Darmkrebs zu erkranken und dem Nitratgehalt des Trinkwassers: So hatten die Teilnehmer, die über den gesamten Zeitraum der Studie mehr als 16 mg/l Nitrat ausgesetzt waren, ein beinahe 20 Prozent höheres Darmkrebsrisiko als die, die weniger als 0,7 mg/l Nitrat über das Trinkwasser aufgenommen hatten.
Weiterführende Informationen finden Sie auf unserer Quellen Seite.
Die Studienautoren betonen, es sei besonders bedenklich, dass ein Risikoanstieg bereits bei Nitratkonzentrationen zu verzeichnen war, die deutlich unter den gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerten liegen, deshalb sei es sinnvoll über eine Reduzierung der Trinkwassergrenzwerte nachzudenken, unabhängig davon, dass das Thema weitere Studien erfordert.
Eine aktuelle Fall-Kontroll-Studie aus Spanien und Italien zeigte, je höher die Aufnahme von Nitrat aus dem Trinkwasser, desto höher das Risiko von Darm- und Rektumkarzinomen, auch bei Werten weit unter dem für Trinkwasser zulässigen Grenzwert.
Säuglings-Blausucht
Ein weiteres Risiko besteht für Säuglinge in der Oxidation des Hämoglobin durch das entstehende Nitrit zu Methämoglobin. Hämoglobin ist ein Eiweiß, das sich im Inneren der roten Blutkörperchen befindet und für den Transport des über die Lungen eingeatmeten Sauerstoffs zu den Zellen verantwortlich ist.
Durch eine natürliche Enzymreaktion wird das Methämoglobin größtenteils wieder zu Hämoglobin reduziert, ein natürlicher Kreislauf, der bei einem Säugling jedoch noch nicht richtig funktioniert, da er eine noch nicht ausgereifte Reduktionskapazität hat.
Wenn diese Rückreduzierung aber unterbleibt und das funktionsuntüchtige Methämoglobin keinen Sauerstoff an die Gewebezellen abgeben kann, besteht die Gefahr des inneren Ersticken, zu Erkennen an einer violetten bis bläulichen Verfärbung der Haut, der Schleimhäute, der Lippen und der Fingernägel. Besonders Säuglinge bis zum 6. Monat sind anfällig für diese Säuglings-Blausucht.
Was bedeutet das für Säuglinge
Die von der Weltgesundheitsorganisation empfohlene akzeptable tägliche Aufnahmemenge (ADI-Wert) von Nitrat (NO3-) liegt bei 0-3,7 mg/kg Körpergewicht.
Das deutsche Bundesamt für Risikobewertung (BfR) hat dazu folgende Rechnung aufgestellt:
Alter | Median* | P 95** | Max*** |
---|---|---|---|
3 Monate | 5,4 | 7,4 | 8,0 |
6 Monate | 3,3 | 5,0 | 5,5 |
9 Monate | 2,3 | 4,7 | 10,0 |
12 Monate | 1,6 | 4,2 | 8,8 |
Tägliche Nitrataufnahme (mg/kg Körpergewicht) von Säuglingen, deren Formula-Nahrung mit Trinkwasser unter Ausschöpfung der geltenden Höchstmenge von 50 mg/l zubereitet wurde
* Median = 50. Percentil, durchschnittliches Körpergewicht in dieser Altersgruppe
** P95 = 95. Percentil, nur 5% in dieser Altersgruppe wiegen mehr
*** Max = beobachteter Maximalwert in dieser Altersgruppe
Das bedeutet, dass bei 6 Monate alten Säuglingen die maximal zulässige Nitrat-Aufnahme noch deutlich überschritten wird, bei 3 Monate alten Säuglingen sogar um ein mehrfaches. Bei 3 Monate alten Säuglingen dürfte der Nitratgehalt demnach bei maximal 23 mg/l, bei einem 6 Monate alten Säugling bei 33 mg/l liegen, um die maximal zulässige Aufnahmemenge einzuhalten, wenn man den jeweiligen Maximalwert der Altersgruppe heranzieht. Dies immer unter der Annahme, dass nicht mit Obst oder Gemüse beigefüttert wird.
Bei älteren Kindern ab dem 6. Monat besteht die Gefahr der Säuglings-Blausucht nicht mehr. Die krebserregenden Nitrosamine stellen hier jedoch ein großes Risiko dar, besonders weil davon auszugehen ist, dass in diesem Alter mit der Beigabe von Obst und Gemüse begonnen wird.
Das BfR hat hierzu folgende Berechnung für eine in der Diätverordnung festgelegte Höchstmenge von 250 mg Nitrat/kg Fertignahrung im 200 Gramm Gläschen mit 100 Gramm Gemüse aufgestellt:
Alter | ADI-Wert |
---|---|
12 Monate (9,5 – 10,3 kg Körpergewicht) | 5,3 – 4,8 mg/kg Körpergewicht |
18 Monate (10,9 – 11,8 kg Körpergewicht) | 4,6 – 4,2 mg/kg Körpergewicht |
24 Monate (12,3 – 13,1 kg Körpergewicht) | 4,1 – 3,8 mg/kg Körpergewicht |
Dieselbe Rechnung für eine Höchstmenge von 150 mg Nitrat/kg im 200 Gramm Gläschen: | |
12 Monate (9,5 – 10,3 kg Körpergewicht) | 3,2 – 2,9 mg/kg Körpergewicht |
18 Monate (10,9 – 11,8 kg Körpergewicht) | 2,8 – 2,5 mg/kg Körpergewicht |
24 Monate (12,3 – 13,1 kg Körpergewicht) | 2,4 – 2,3 mg/kg Körpergewicht |
Tägliche Nitrataufnahme (mg/kg Körpergewicht) von Kleinkindern, deren Körpergewicht dem Durchschnitt (Median) in der jeweiligen Altersgruppe entspricht.
Daraus ist leicht zu erkennen, dass der ADI Wert von 3,7 mg/kg Körpergewicht kaum oder gar nicht einzuhalten ist, solange nicht auf Fertignahrung mit einem niedrigeren Nitratgehalt von maximal 150 mg Nitrat/kg zurückgegriffen wird.
Im Jahre 1986 hatte das deutsche Bundesgesundheitsamt deshalb auch empfohlen, für die Zubereitung von Säuglingsnahrung einen Nitratgrenzwert von 10mg/l im Trinkwasser nicht zu überschreiten. Geht man davon aus, dass 12 Monate alte Kinder nur 100 Gramm Gemüse als Beikost verzehren, würde bei einer Nitrat-Aufnahme von 10 mg/l Wasser (für ein Kind mit seiner Altersgruppe entsprechendem durchschnittlichen Körpergewicht) und einer Höchstmenge von 150 mg Nitrat/kg Beikost der ADI von 3,7 mg/kg KG nicht überschritten werden.
Der Mensch nimmt Nitrat nicht nur über das Trinkwasser, sondern beispielsweise auch über verschiedene Gemüsesorten, die einen natürlichen, hohen Nitratgehalt aufweisen (Rucola und andere Blattsalate, Spinat, Kohlrabi, Rote Beete, Radieschen und Rettich), zu sich. Daher sollte man besonders bei Kindern und älteren Menschen, die an bakteriellen Magen-Darm-Infektionen leiden, dem Nitratwert des Trinkwassers besondere Aufmerksamkeit widmen.